Zillertal Bier – wo Tradition auf Innovation im Herzen von Tirol trifft

Frühjahrstreffen des Verbandes der Biersommelièrs im Zillertal

Das Frühjahrstreffen des Verbandes der Biersommelièrs führte mich im Mai 2023 nach Zell am Ziller im schönen und bergigen Zillertal in Tirol in Österreich. Natürlich stand Bier auf dem Programm! Unter anderem der Besuch der Brauerei Zillertal Bier und deren besondere und beeindruckende Ausstellung.

Gärtanks bespielt mit künstlerischen Bier Bildern in der Zillertaler Brauerei in Zell am Ziller

Die Brauerei Zillertal Bier und ihre beeindruckende Ausstellung

Mit dem Braukunsthaus will die Familie des Zillertal Bieres begeistern. Als Familienunternehmen hat sie sich ein Manifest gegeben mit der Überschrift: die Zukunft entsteht aus dem, was wir heute tun. Sie schaffen damit den Spagat zwischen Innovation und Tradition, zwischen Weltoffenheit und zugleich enger Verbindung mit der Region und Tirol. Seit 16 Generationen führt die Familie das Unternehmen, das seit mehr als 500 Jahren existiert. Beeindruckend! Sie ist die älteste Privatbrauerei Tirols und reicht bis ins Jahr 1500 zurück.

1678 hat die Salzburger Hofkammer das Bierbrauer-Recht und das Bier- und Branntwein-Zapfenrecht an Ludwig Jobst verliehen. Er gilt als erster freier Bierbrauer Tirols und ist ein direkter Vorfahre der heutigen Besitzer. Mit dem Brauen und Verkaufen von Bier waren schon früh gewisse Machtaspekte verbunden. Das äußerte sich 1692 auch im Zillertal, weil auf der Grundlage des Zapfenrechtes die Einführung „fremden“ Bieres verboten wurde. Ähnlich wie dem bayrischen Reinheitsgebot von 1516. Das durfte auch nichts mehr nach Bayern was nicht Hopfen, Gerstenmalz und Wasser im Bier hatte.

Allein der Empfang für die 80 Bier Sommelièrs vor dem Eingang des BrauKunstHauses war herzlich, freundlich und geduldig. Bei all den durstigen Bier Kennerinnen und Kennern ein kleines Kunststück. Der Hausherr selbst, Martin Lechner, begrüßte uns nach dem obligatorischen, leicht chaotischen Beweisfoto (80 Menschen auf ein Foto zu quetschen und danach den Einzelnen zu erkenn ist immer ein „uff“). Die Architektur beeindruckt mit hoher Glasfassade, Wasserspiel und Rankgewächsen, die daraus emporwachsen. Lediglich der Hopfen wollte Mitte Mai noch nicht so recht los“ziehen“.

Die Vielfalt des Sortiments: Von Pils bis Schwarzbier

Das Eingangeinstiegsbier war das Zillertal Pils in dem dafür passenden schlanken, dünnwandigen Glas. Schöne Zitrusnote im Glas, leicht grasig und nur ganz wenig Bittere im Abgang. Ganz weit entfernt von den norddeutschen Pilsner Bieren. Schlank, trocken im Abgang und sehr gut trinkbar. Das Sortiment orientiert sich primär an den hellen Bierstilen: Zwickl (sogar in Bioqualität), Helles, Märzen, Weißbier (darf natürlich nicht fehlen hier in den Bergen) und das Pils. Zwei Radler und Bockiere sowie das sogenannte Schwarze runden das Sortiment ab. Das letzte eher ungewöhnlich – eine Mischung zwischen Schwarzbier und Porter mit dunklem Karamell in der Nase sowie einem Hauch Kaffee und einer Bitteren im Abgang. Gelungen und hervorragend zu Käse geeignet.

Daneben gibt es noch zwei Biere, die als Imperial bezeichnet werden. Als Bier Sommelière denke ich sofort an stärkeres Bier, da der Begriff Imperial gewöhnlich genutzt wird, wenn der Bierstil „verstärkt“ wird. Also deutlich mehr Alkohol. Jedoch beim Tyroler Imperial Hell und Zwickl handelt es ich um „spezial“ angebaute Imperial Gerste. Eine alte Gerstensorte wieder zum Leben erweckt. Somit war die Verwirrung meiner Geschmacksknospen groß, als das Imperial Zwickl so gar nicht Imperial stark am Abend vorher war. Frisch, ausbalanciert, schicker runder Abgang und ein bisschen nach exotischen Früchten in der Nase mit 5,7%.  Mittlerweile bauen 60 Landwirte in der Umgebung unter anderem die Tiroler Imperial Gerste an und beliefern die Brauerei für die extra dafür entwickelten Bierspezialitäten.

Die Rolle von Bier Sommelièrs bei Zillertal Bier

Die Brauerei aus Zell am Ziller gehört zu den ersten in Österreich, die die Möglichkeit ergriffen haben Diplom Biersommeliers ausbilden zu lassen. Management, Braumeister und Außendienstleute absolvierten die Kurse und bringen nochmals eine ganze andere Sicht auf das Thema Bier. Somit werden auf Messen Biercocktails angeboten, Publikationen mit Bier, wie das Kochbuch „Knödel in allen Variationen“ gemeinsam mit dem Haubenkoch Martin Sieberer erstellt und jedem Bier sein spezielles Glas gegönnt. In Österreich wird ein im Gault-Millau ausgezeichneter Koch übrigens „Haubenkoch“ genannt.

Auch in Österreich wie in Deutschland besteht bezüglich Bierwissen ein Nachholbedarf. Die Tourismusschulen Zell am Ziller sind unter anderem Ausbildungsstätten, welche in Form von Biersommelier Curriculum Bierwissen weitergibt und Prüfungen abhält. Von der Geschichte des Biers über Rohstoffkunde und Bierbrauen führt der Weg zu den so wichtigen Themen wie „Umgang mit Schankanlagen“ und „Richtiges Zapfen“.

Nachhaltigkeit bei Zillertal Bier: CO²-Neutralität und Kreislaufwirtschaft

Nachhaltigkeitsdaten der Zillertaler Brauerei
Zahlen, Daten und Vergleich beim Thema Nachhaltigkeit
Aus dem Braukunsthaus der Zillertaler Brauerei in Zell am Ziller in Österreich eine Darstellung der aktuellen Nachhaltigkeitswerte der Brauerei mit dem Status Mai 2023

Interessant sind verschiedenen Zahlen dieses mittelständigen Familienunternehmens: aufgrund der langen und kalten Gär- und Lagerzeiten befindet sich ständig rund ein Drittel der gesamten Jahresmenge an Bier in verschiedenen Reifestadien in den Tanks. Das entspricht rund zwei Millionen Litern. Außerdem besteht das Ziel eine CO² neutrale Brauerei zu werden. Neben Photovoltaikanlagen, CO² Rückgewinnungssysteme und eine Kreislaufwirtschaft werden jährlich mehrere Hundert Tonnen CO² eingespart. Genau genommen als ich am 15.5.2023 dort waren es 499,43Tonnen. Mit der eigenen CO² Rückgewinnung wir die überschüssige Kohlensäure aus dem Gärprozess gesammelt, gereinigt und für verschiedene Prozesse wieder verwendet. Derzeit ca. 220.000 kg pro Jahr. Respekt – ein sehr guter Weg in eine nachhaltigere Zukunft!

Der neue Standort am Bräuweg in Zell am Ziller wird scheinbar nicht so häufig zu Fuß bereist. Zumindest hatte meine kleine Gruppe Sorge, dass wir auf der Schnellstraße nach Innsbruck landen. Und das ohne vorher Bier getrunken zu haben. Ein kleiner Fußweg wäre der einzige Verbesserungsvorschlag für die ansonsten multimedial in Szene gesetzte Brauerei. Denn das BrauKunstHaus verdient hier wirklich seinen Namen.

Das BrauKunstHaus: Ein multimedialer Rundgang durch die Brauerei

Auf 5000m² Ausstellungsfläche inszeniert die Brauerei das Bier als solches, aber natürlich auch die Rolle der eigenen Brauerei darin. Ein multimedialer Rundgang zum Zuhören, Anfassen, Riechen, Lesen und Interagieren. Kleine Bierquizze laden zum Verweilen ein und beim Jodelstübchen kann Jodel nicht nur geübt, sondern auch aufgenommen und als MPEG versandt werden. Sehr witzig! Meine Künste des Jodelns lass ich lieber außenvor. Das Bedarf noch deutlich mehr Übung bevor es nur ein bissle erträglich für irgendwelche Ohren ist.

Ein Highlight für mich: der auf den Sud Gefäßen projizierten Brauvorgang. Hier wurde extra Autofolie aufgebracht, damit eine nicht spiegelnde Fläche entstehen kann. Beim nachfolgenden Gang über die Balkone durch die Produktion und Abfüllung wurden alle Kessel, Gerätschaften und Maschinen für die Besucher:innen beschriftet.

Ein Besuch im Shop: Souvenirs und Leckereien für jeden Geschmack

Zum Schluss geht es vorbei an witzigen Informationen über das Gauderfest (nein nicht Gouda und es hat nix mit Käse zu tun – siehe dazu Das Gauderfest – Bier Tradition im Zillertal) in den Shop. Neben Bier werden auch andere Leckereien wie Biersenf oder Seife und natürlich Souvenirs rauf und runter angeboten. Ein Shop, der locker mit den britischen Souveniershops mithalten kann. In Größe und in Kreativität.

Ein Erlebnis auch für Nichtbierliebhaber! Ein großes Whau meinerseits mit dicker Empfehlung. Prost! Zum Wohl! Cheers! …

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